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[ezcol_1half]Ein Blick zurück nach Vorne

Das Museum für Fotokopie (MFF) wurde am 29. März 1985 in Mülheim an der Ruhr als private öffentliche Einrichtung gegründet. Ziel war es, der damals in Deutschland noch kaum wahrgenommenen Copy Art ein ständiges Forum einzurichten, und durch Ausstellungen mit Arbeiten in- und ausländischer Künstlerin- nen und Künstler sowie durch Kooperationen mit vergleichbaren Einrichtungen im Ausland eine lebendige Auseinandersetzung mit dem Publikum zu erreichen.

Ein erster Schritt waren Copy Art-Workshops, die in Verbindung mit der Mülheimer Volkshochschule und Mülheimer Fachhändlern im Museum stattfanden. Dort wurden die Nutzung des Kopierers als künstlerisches Medium an Teilnehmer aller Altersklassen vermittelt. Beachtung über die Stadtgrenzen hinaus fanden die vom Museum veranstalteten Copy Art-Wettbewerbe an denen Kunstschaffende aus dem Großraum Rhein-Ruhrgebiet teilnehmen konnten. 1986 beteiligte sich das MFF als Ausstellungsort an der Wanderausstellung „Medium Photokopie“ des Künstlers Georg Mühleck (Stuttgart/Montreal). Im Rahmen dieser an sechs Orten der BRD gezeigten Schau wurden erstmals die Werke von elf Künstlerinnen und Künstlern aus Canada und den USA in Deutschland vorgestellt. Im Gegenzug wurden 1987 zwölf deutsche Vertreter der Copy Art nach Canada eingeladen und deren Arbeiten gemeinsam mit denen ihrer nordamerikanischen Kolleginnen und Kollegen im Goethe-Institut Montreal sowie im renommierten Kunstzentrum „Centre Saiyde Bronfman“ gezeigt. Ein dreisprachiges Katalogbuch mit Essays der canadischen Kunstkritikerin Monique Brunet-Weinmann dokumentierte zum einen den von Georg Mühleck initiierten transatlantischen Kunst-Transfer und gab zum anderen wichtige medienphiloso- phische Denkanstöße über die Position der Fotokopie als Intermedium im Bereich der Postmoderne. Das Buch „Medium Photokopie“ war zugleich die erste Publikation zur Copy Art in deutscher Sprache.

EDUTAINMENT 1 Chester F. Carlson und die Milliarden, die niemand wollte

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Chester F. Carlson und die Milliarden, die niemand wollte

Im August 1988 zog das Museum in das 250 qm große Gebäude einer ehemali- gen Schreinerei in der Mülheimer Altstadt, das in Eigenleistung renoviert wurde. Zur Eröffnung zeigte das Künstler-Duo Alcanales (José Ramón Alcala und Fernando Canales) gemeinsam mit der Bildhauerin Begona Sanjuan aus Valencia/Spanien die Ausstellung „Electrografias“, die zuvor in Valencia zu sehen war. Eine 14 Meter lange Copygrafie, mehrere große Plastiken und copygrafische Auflagenwerke wurden in den drei Etagen des MFF erstmals in Deutschland vorgestellt. In Kooperation mit der Universität Valencia erschien zur Ausstellung ein zweisprachiger Katalog. Zur selben Zeit kam ein Kontakt zu Dr. Edith Weyde in Kürten zustande, die das – ab den 1950er Jahren als erstes weltweit eingesetzte – moderne Fotokopierver- fahren „Copyrapid“ (Blitzkopie) von Agfa erfunden hatte. Ihre Erfindung hatte die Entwicklung zur heutigen Bürokopie eingeläutet. Das Video-Interview mit Edith Weyde ist vermutlich das einzige Filmdokument mit dieser wichtigen Persönlich- keit der Zeitgeschichte. Es steht für eine weitere Zielsetzung des Museums für Fotokopie: die Geschichte der Fotokopie zu dokumentieren. Dies wurde auch durch den Aufbau einer technikgeschichtlich orientierten Sammlung erreicht, für die wichtige Meilensteine der Entwicklung, wie z.B. Edisons Mimeograph von 1884 und die ersten Copyrapid- und XeroX-Kopierer von 1950 gesucht – und auch gefunden wurden. Da die Fotokopierverfahren und -geräte seinerzeit weder bei Technikmuseen noch bei Sammlern historischer Bürogeräte besondere Beachtung fanden, aber zu dieser Zeit ausgemustert wurden, war dies ein wichtiger Aspekt. Die in 15jähriger Arbeit buchstäblich zusammengetragene Sammlung von rund 100 Kopierern ist mit großer Wahrscheinlichkeit weltweit einzigartig.

[/ezcol_1half] [ezcol_1half_end]Die Vernetzung des MFF führte 1988 und in den folgenden Jahren zu einer Zusammenarbeit mit den Initiatoren der 2. Internationalen Biennale für Copy Art und Elektrografie in Valencia. Diese gründeten 1990 das „Museo Internacional de Electrografia“ (MIDE) in Quenca. Es war sowohl Ausstellungsort als auch Ausbildungsstätte und Kunstlabor für Studenten des Bereichs Design und neue Medien und wurde von der Universidad Castilla-La Mancha und Sponsoren getragen. Zur Eröffnungsfeier wurden Vertreter des Mülheimer Museums einge- laden, einen Vortrag über die Interaktionen von Kunst und Technik im Bereich der Copy Art und Elektrografie zu halten. Auf Anregung des MFF wurde eine Gedenktafel für Marcel Demeulenaere, Erfinder eines frühen elektrofotografischen Kopierverfahrens, der viele Jahre in Cuenca gelebt hatte, an seinem Wohnhaus angebracht. Der Kontakt und die Kooperation mit dem MIDE ermöglichte einen regen Austausch, es wurden Workshops für die Studenten und pa914klinternationale Wanderausstellungen organisiert. Auch Kontakte zum „Centre Copie-Art“ in Montreal, zu Zentren, Gruppen und Organisatoren in Frankreich, Italien und Österreich sowie zu Künstlern aus vielen anderen Ländern wurden gepflegt. 1991 wurde mit dem Buch „CopyArt – Kunst und Design mit dem Fotokopierer“ (DuMont) eine Dokumentation der Museumsarbeit publiziert. Diese war zugleich die erste umfassende Beschreibung der Geschichte, Technik und Kunst der Fotokopie in deutscher Sprache und wurde sehr positiv aufgenommen. Kurz darauf lud der Direktor des Karl Ernst Osthaus-Museums in Hagen das MFF zu einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt ein: Unter dem Titel „Trivial Machines 1“ zeigte das Museum für Fotokopie 1992 fast seine gesamten Bestände im historischen Gebäude des früheren Folkwang-Museums von Karl Ernst Osthaus.

Künstlerinnen und Künstler aus Europa und Nordamerika – darunter auch Copy Art-Pioniere wie Sonia Sheridan oder Künstler wie Joseph Beuys und Timm Ulrichs – waren vertreten, um nur einige zu nennen. Mit einem kleinen Team ehrenamtlicher Helfer wurde die Arbeit weiter vor- angetrieben und eine Ausstellungsreihe mit deutschen Copy-Künstlern im MFF gezeigt. Als Träger des Museums wurde zu dieser Zeit ein gemeinnütziger Verein gegründet, der in Kooperation mit Firmen der Branche – insbesondere dem in Mülheim ansässigen Hersteller Océ und der Vertriebsniederlassung von Planko- pie/Minolta – über mehrere Jahre konstruktiv zusammen arbeitete. Unterstützt von den Firmen konnten einige wichtige Exemplare aus der ersten Generation digitaler Kopierer, Faxgeräte und Laserdrucker in die Sammlung aufgenommen werden. Diese waren ab 1985, dem Jahr der Museumsgründung, auf den Markt gekommen und wurden keine zehn Jahre später ausgemustert.

Damit war das Kernziel der Gerätesammlung erreicht, das sich auf den Zeitraum von den ersten modernen analogen Fotokopier-Verfahren bis zum Beginn der Digitalisierung konzentrierte. 1994 konnte mit einer weiteren Buchpublikation „Elektrografie – Analoge und digitale Bilder“ (DuMont) auch die neuen Aspekte in Kunst und Technik vorgestellt werden. In- und ausländische Künstler steuerten zu diesem Buch Essays mit ihren individuellen Standpunkten bei. Nicht zuletzt wurde durch die beiden Publikationen bei DuMont und durch die Arbeit des Museum erreicht, dass die Copy Art zu dieser Zeit dem kunstinteressierten Publikum hierzulande ein Begriff war. Und auch die Herstellerfirmen hatten für ihre digitalen Farbkopiersystemen eine neue Zielgruppe entdeckt: die Kreativen der Werbebranche und der Design-Hochschulen. Durch die Anbindung der Digitalkopierer an Desktop-Computer zeichnete sich ein Verschwinden der alten Grenzen zwischen Copy- und Datagrafie, zwischen Copy Art und Computerkunst ab. 1997 lud das Scryption Museum in Tilburg/Niederlande das MFF ein, seine Copy Art-Sammlung im Rahmen der Ausstellung „Kopieren – met de K van Kunst“ zu präsentieren. In dieser in Holland viel beachteten Ausstellung zeigte die nieder- ländische Copy Art-Pionierin Lieve Prins gemeinsam mit drei weiteren Künstlern riesige Copyarbeiten auf der Fassade eines großen Gebäudes. Zum zweisprachi- gen Katalog steuerte das MFF einen Aufsatz über die ersten drei Jahrzehnte der Copy Art bei und veranstaltete während der Ausstellung verschiedene Workshops für die Besucher und Studenten der Tilburger Hochschule. Bereits zu dieser Zeit wurde der Versuch unternommen, die Sammlungen des MFF in eine größere Institution zu integrieren, um sie als Teil der aktuellen Medienkunst der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen. Doch die Ausrichtungen der angesprochenen Museen und Institutionen – entweder Kunst oder Technik, aber nicht beides gemeinsam – standen dem im Wege. Nach zwei Jahren wurde ein Kompromiss erreicht: Die technikgeschichtliche Sammlung und Bibliothek wurde im Depot des Deutschen Technikmuseums Berlin, und die Copy Art-Sammlung, mit einigen Meilensteinen der Technik, in Mülheim eingelagert. Das Museum in der Altstadt schloss seine Tore für die Öffentlichkeit, doch die Studien zur Kunst und Technik der Fotokopie wurden Stück für Stück weitergeführt. Im Jahr 2004 wurde das Buch „Copy Art“ mit Unterstützung der EU ins Ungarische übersetzt und in Budapest publiziert. Zum 70. Jahrestag der Erfindung der Xerografie durch Chester F. Carlson wurde im Mülheimer Büromuseum eine Ausstellung mit einem Remake der ersten Xerokopie veranstaltet, die im Rahmen der Museumsnacht zahlreiche Besucher anzog. Zu diesem Event erschien die erste deutschsprachige Biografie des Erfinders, dem wir nicht nur die Xerox-Kopierer sondern auch unsere heutigen Laserdrucker verdanken. Im weltgrößten Computermuseum, dem Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn, wurde Carlsons Erfindung im Rahmen der Museumsnacht 2012 von den zahlreichen Besuchern selbst erprobt. Aus der Einladung zum internationalen Shiny Toys-Projekt 2012, das unter dem Thema „Cut Copy Paste Delete“ in Moers und Mülheim stattfand, entstand eine freundschaftliche Kooperation mit den Initiatoren, die in diesem Jahr zur Gründung des „Makroscope“ führte, zu dem auch ein kleines Museum für Kunst und Technik der Kommunikationsmedien gehört.[/ezcol_1half_end]